Wie oft sagen wir Dinge, die wir im Nachhinein bereuen gesagt zu haben? Wäre es mir möglich, würde ich manche Sätze, teilweise sind es sogar ganze Gespräche, ohne zu zögern, ungeschehen machen und ich bin mir sicher, ich bin nicht die einzige Person, der es so ergeht. 

Warum haben wir also solche Mühe, die Zunge zu kontrollieren? Bedenkt man, wie mächtig sie ist und wie viel Schaden sie anrichten kann, wäre es doch umso wichtiger, dass wir sie im Griff hätten. Doch scheint dies teilweise ein unmögliches Unterfangen zu sein. Zumindest auf Dauer. Doch so verzwickt die Lage ist, erstaunt es auch nicht, dass Gottes Wort die Schwierigkeit an verschiedenen Stellen thematisiertet. Im dritten Kapitel des Jakobusbriefes hören wir die eingängige Warnung des Apostels, der mit grosser Wahrscheinlichkeit Jakobus, der Halbbruder von Jesus war. 

3 Wenn wir den Pferden den Zaum ins Maul legen, damit sie uns gehorchen, so lenken wir ihren ganzen Leib. 4 Siehe, auch die Schiffe, obwohl sie so groß sind und von starken Winden getrieben werden, werden sie doch gelenkt mit einem kleinen Ruder, wohin der will, der es führt. 5 So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rechnet sich große Dinge zu. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet’s an! 6 Auch die Zunge ist ein Feuer. Eine Welt voll Ungerechtigkeit ist die Zunge unter unsern Gliedern: Sie befleckt den ganzen Leib und setzt das ganze Leben in Brand und ist selbst von der Hölle entzündet. 7 Denn jede Art von Tieren und Vögeln und Schlangen und Seetieren wird gezähmt und ist gezähmt vom Menschen, 8 aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das aufrührerische Übel, voll tödlichen Gifts. 9 Mit ihr loben wir den Herrn und Vater, und mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Bilde Gottes gemacht sind. 10 Aus einem Munde kommt Loben und Fluchen. Das soll nicht so sein, meine Brüder und Schwestern. 11 Lässt auch die Quelle aus einem Loch Süsses und Bitteres fließen? 12 Kann auch ein Feigenbaum Oliven oder ein Weinstock Feigen tragen? So kann auch eine salzige Quelle nicht süsses Wasser geben.

 

Sweet & sour?

Gerne würde ich behaupten, dass Jakobus hier masslos übertreibt. Doch die drei Punkte, die er anspricht, haben sich alle als wahr erwiesen. Wie können wir gleichzeitig Gott loben und seine Schöpfung verfluchen? Wir müssen keinesfalls alles gutheissen, was andere Menschen tun, doch steht es uns nicht zu, sie zu verdammen. Einerseits hätten wir dies selbst auch verdient, durch unsere eigene Schuld Gott gegenüber, andererseits werden wir dazu aufgefordert für sie zu beten und nicht sie zu verfluchen. Gott selbst hat keinen Gefallen daran, wenn Sünder verloren gehen, vielmehr möchte er, dass sie umkehren und die Wahrheit erkennen. Wie können wir uns also anmassen selbst auf den Richterstuhl zu klettern und von dort zu richten? Wir loben Gott mit unseren Worten und im Anschluss zerreissen wir uns den Mund über unsere Mitmenschen. 

Nicht zu zähmen

Eine wichtige Aussage von Jakobus ist, dass die Zunge nicht gezähmt werden kann. Es ist durchaus wahr, dass sich gewisse Menschen besser im Griff haben als andere. Nicht jeder ist ein Choleriker oder ein Lästermaul. Doch ganz im Griff hat sich hier niemand. Ich behaupte, wer sich selbst für gut genug hält, der schaut offensichtlich nicht gut genug hin. 

Wie könnten wir unsere Zunge auch kontrollieren? Schliesslich kommt aus dem Mund, was aus dem Herz überläuft. So lesen wir wie Jesus sagt:

Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein böser bringt Böses hervor aus dem bösen. Denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Lukas 6,45

Selbst nach unserer Bekehrung zu Christus, wenn wir durch ihn gerechtfertigt sind, sündigen wir immer noch weiter. Wie Martin Luther sagte: „Der alte Adam in uns soll ersäuft werden. Nimm dich aber in acht, das Aas kann schwimmen!“  

 

Schlimmer geht es doch immer

Ein dritter Punkt sind die verheerenden Auswirkungen. Allein mit Worten können Katastrophen ausgelöst und andere Menschen in die Irre und ins Verderben geführt werden.

Ein neuzeitliches Beispiel dafür wäre das Dritte Reich. Ein charismatischer Führer, der aufgestiegen ist und Deutschland davon überzeugte ihm zu folgen. Zu Beginn, bevor er sich mit Waffengewalt und Terror durchsetzte, waren es seine Worte und überzeugendes Auftreten, die ihm dabei halfen, immer mehr die Macht zu übernehmen. Er machte Versprechungen und schenkte neue Hoffnung, die Demütigung des Ersten Weltkrieges hinter sich zu lassen. Das Land sollte wieder zu neuem Glanz und Ehre gebracht werden. Verblendung und Massenmanipulation, die bereits bei den Kindern begann, waren hilfreiche Waffen. Viele begriffen das Ausmass der Katastrophe erst, als es bereits zu spät war.

Bei ihm hätten wir wohl kein Problem zu behaupten, dass seine Zunge von der Hölle entzündet war. Doch steckte diese Wahrheit nicht allein in ihm. 

Das Schöne ist doch, dass im Vergleich zu einem Hitler, ich immer gut dastehe. Ist er der Standard, so haben weder du noch ich einen Grund zur Besorgnis. Aber Hitler ist nicht der Massstab. Gott setzt den Massstab. Und in Jakobus 3 ist nicht irgendein Tyrann angesprochen. Dieses Wort richtet sich an Gläubige, die den Heiligen Geist in sich tragen.

Eine Welt voll Ungerechtigkeit ist die Zunge unter unsern Gliedern: Sie befleckt den ganzen Leib und setzt das ganze Leben in Brand und ist selbst von der Hölle entzündet.   

Erkennt sich jemand darin wieder? Nur ungern wollen wir uns davon angesprochen fühlen. Doch es sind nicht nur Irrlehrer, die ihre Macht missbrauchen. Wie oft schon habe ich meine Worte als Waffe missbraucht? Wie oft bitte ich Gott um Vergebung für die unachtsamen Worte die meinen Mund verlassen. Die nicht seiner Ehre dienen, sondern meiner. Die nicht erbauend sind, sondern verletzend. Nicht in Liebe gesagt, sondern stolz und in Eigenliebe.

Kopf hoch

Natürlich ist nicht alles schrecklich an mir und wohl genauso wenig an dir. Ich selbst würde mich beispielsweise als humorvoll beschreiben, kann aber auch sehr ernst und kritisch sein. Ich bin davon überzeugt, dass diese Eigenschaften nicht per se schlecht sind. Im Gegenteil, ich bin oft sehr dankbar dafür. Aber sie müssen richtig eingesetzt werden. Jede unserer Charaktereigenschaften können wir für Gott einsetzen oder nicht. Wir können mit unserem Humor andere aufheitern oder wir überschreiten Grenzen, ziehen Dinge ins Lächerliche oder tarnen Angriffe mit Sarkasmus. Wir beurteilen Dinge analytisch oder realistisch und vermeiden so unnötige Probleme, oder wir sind Nörgler, dämpfen die Motivation und finden in jeder Suppe ein Haar – und wenn’s das eigene ist.

Gott hat uns einzigartig geschaffen, mit verschiedenen Charakteren und verschiedenen Gaben. Bei den Worten gilt dasselbe wie bei den Taten: Wenn du es nicht zu Gottes Ehre tun kannst, dann tue es gar nicht. Mit anderen Worten:

Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn. Kolosser 3,17

Im Brief an die Epheser schreibt Paulus

Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es hören. Epheser 4,29

 

Zu was wir uns entscheiden

Vor einer Weile habe ich mich mit einer Frau unterhalten, die nach Beatenberg kam, wo ich damals lebte und studierte. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und ich lud sie noch für das Gebet am Abend ein. Sie sagte höflich ab und ich ging zuerst davon aus, dass sie womöglich einfach zu müde war. Doch ihre Begründung war um einiges besser. Sie sagte mir nämlich, sie brauche etwas Zeit für sich und Gott allein. Würde sie das nicht tun, dann würde sie immer so viel sprechen und – das sei das Schlimme dabei – es würde dann immer so viel Ungutes und Unnötiges dabei rauskommen. Ich konnte ihr nur mit ganzem Herzen zustimmen. Ich kannte dieses Problem nur allzu gut. 

Lösung in Sicht?

Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, ich schaffe es nicht, meine Zunge im Zaum zu halten. Nicht einen einzigen Tag. Und wenn wir die unausgesprochenen Gedanken noch dazu zählen würden, würde die Bilanz noch schlechter ausfallen. Daher kann ich auch niemandem raten, dass er sich einfach ein bisschen mehr Mühe geben muss. Denn das Problem ist nicht die Zunge, das Problem ist das Herz. Wie bereits erwähnt, spricht der Mund nur aus, wovon das Herz überquillt. Die Lösung kann daher nicht aus einem Maulkorb bestehen. Unser Herz muss gereinigt werden.

Diese Frau in Beatenberg wusste, dass sie das Ziel noch nicht erreicht hat. Aber sie wusste auch, wie sie ihm näher kommen konnte. Sie brauchte Zeit mit Gott. Die Beziehung zu ihm verändert uns. Sein Wort reinigt uns, zeigt uns unsere Sünden auf, stärkt uns, gibt uns Mut und Kraft weiterzumachen, lässt uns Gottes Willen und sein Wesen immer mehr erkennen. Zeit mit Gott verbringen bedeutet auf ihn zu hören, aber auch mit ihm zu sprechen. Damit ist kein Monolog gemeint, der keine Antwort für nötig empfindet und sie auch nicht erwartet. Viel mehr sollen wir Beziehung leben und bei ihm zur Ruhe kommen.

Durch Jesus Christus haben wir diesen Zugang. Statt dem gerechten Zorn Gottes ausgesetzt zu sein, nahm der Sohn ihn auf sich, damit für unsere Sünden bezahlt ist. Schuldfrei und als gerecht erklärt treten wir nun vor ihn. Nutzen wir dieses Geschenk aus und schöpfen wir aus dem Vollen bei ihm. 

Verantwortung tragen und abgeben

Machen wir uns also bewusst, dass wir mit unserer Zunge sehr viel Schaden anrichten können und dass der einzige, der sie kontrollieren kann Gott ist.

Dies nimmt uns jedoch keineswegs aus der Verantwortung. Wir sollen nach Veränderung streben, jedoch im Wissen, dass diese von Gott gewirkt wird. Auch als Frauen haben wir eine besondere Verantwortung. Bitte verzeiht mir, wenn ich hier der Einfachheit halber etwas Verallgemeinere, aber ansonsten ist es nahezu unmöglich überhaupt eine Aussage zu machen. 

Ich habe schon oft gehört, dass Männer, egal ob Geschäftsmänner, Pastoren oder Sportler, sagen, dass es niemanden auf der Welt gibt, bei dem die Kritik so einschlägt, wie wenn sie von der eigenen Frau kommt.

Es ist die Nähe, die die Wirkungskraft verstärkt. Doch nicht nur die Intimität führt zu schweren Verletzungen, sondern auch die Treffsicherheit. Frauen sind einfühlsam. Wir können Schwächen entdecken. Treffen zielgenau, mit einer Präzision, die jeden Chirurgen neidisch machen würde, auf den Nerv.  

Der versteckte Kampf

Nicht immer kämpfen wir mit offenen Karten. Oft werden Probleme gar nicht erst offen angesprochen. Ich spreche vom Lästern, vom Augenverdrehen, vom Neidisch- oder vom Genervt-Sein. Es ist eigentlich zweitrangig, auf welche Art und Weise es sich äussert. Vielleicht bist du nicht die Person, die genervt von anderen ist oder wütend, vielleicht bist du eher der Typ der zu Neid neigt, vielleicht bist du der Typ Mensch, der seine Mitmenschen gar nicht richtig wahrnimmt, weil du dich eher um dich selbst drehst, vielleicht rutschen dir auch im Spass kleine Gemeinheiten raus, wenn die Person dabei ist oder nicht.

Es ist egal auf welche Art, denn die Wurzel ist überall dieselbe. Die fehlende Nächstenliebe. Man versucht nicht mal mehr, seinen Nächsten höher zu stellen als sich selbst, und anstatt ihn zu lieben hat man sich schlichtweg damit abgefunden, dass er oder sie nun mal komisch ist und es darum wohl auch das Problem des anderen ist. 

Schlimm genug, wenn nur wir davon betroffen sind. Aber wie oft lassen wir dem freien Lauf und stecken damit noch andere an. Verleiten andere dazu, dass sie mitmachen und sich selbst auch versündigen. 

Chancen nutzen

Eine weitere Verallgemeinerung: Frauen sind einfühlsam. Sie können sich eher in die Person hineinversetzen. Welche Kraft kann unsere Erbauung haben, wenn wir andere stützen, sie näher zu Gott bringen wollen und ihnen mit Liebe beistehen und helfen. Wie wertvoll ist unser Beitrag für Gottes Reich, wenn wir sorgen, umsorgen, stützen, fördern. Generationenübergreifend. Wenn wir unsere Worte dazu einsetzen, Menschen näher zu Gott zu bringen. Das ist Liebe. Ich will dein Bestes. Ich will, dass deine Beziehung zu Gott stimmt. Dass du wächst im Glauben und Christus immer besser kennenlernst und lieben lernst. Ich will helfen, den richtigen Blickwinkel zu erlangen. Dich bekräftigen, weiter auf deinem Weg mit Christus zu laufen. Will Gott dafür danken, dass er dich so einzigartig und wundervoll geschaffen hat, danken für die wundervollen Gaben, die er in dich hineingelegt hat. Will dich ermutigen und erinnern, an die Hoffnung, die wir in Christus haben.

Dazu wollen wir unsere Worte verwenden. Um Gott zu loben und anderen dabei zu helfen eben dasselbe zu tun. Wenn wir es nicht zu Gottes Ehre tun können, dann tun wir es lieber gar nicht.   

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2 Kommentare

Markus Burkhart · 6. März 2020 um 9:44

Echt starker Text!
Ich finde, du hast vieles sehr gut auf den Punkt gebracht.

Vielleicht empfinde ich das deshalb so deutlich, weil der Umgang mit meiner Zunge auch für mich ein Thema war und ist…

    FAITH BLOG · 6. März 2020 um 13:37

    Vielen Dank für deine Rückmeldung zum Text. Auch bei mir ist es noch eine offene Baustelle, an der Gott dran ist. Ich wünsche dir viel Weisheit und Gottes Führung.

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